Wissenschaft ist wichtig – und sie verständlich darzustellen ebenso. Wie lässt sich gesellschaftliches Vertrauen in die Wissenschaft stärken? Indem die Akteure über ihre Forschungsvorhaben, -methoden und -ergebnisse berichten. Im aktuellen Beitrag: Marcel Prokopczuk, Professor für Volkswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Finanzmärkte am Institut für Finanzwirtschaft und Rohstoffmärkte der Leibniz Universität Hannover zum Projekt „The Quality of Commodity Futures Markets“.
Wie erklären Sie einem Laien den Kern und die Relevanz Ihres aktuellen Forschungsvorhabens?
Wir erforschen hauptsächlich, wie sich Preise auf Finanz- und Rohstoffmärkten bilden, also z. B. Aktien oder Rohöl. Insbesondere geht es darum zu verstehen, wie und warum Wertpapierpreise schwanken. So stellt sich beispielsweise die Frage, ob sinkende Aktienpreise auf fundamentale ökonomische Gründe zurückzuführen sind oder auf emotionale Effekte bei den Marktteilnehmern. Wichtig ist auch, welche Art von Risiko am Kapitalmarkt existiert und wie dieses adäquat gemessen werden kann. Zusätzlich beschäftigen wir uns noch mit Fragen des Risikomanagements von Unternehmen und Finanzentscheidungen privater Haushalte.
Wie lautet Ihre Forschungsfrage und welcher Methoden bedienen Sie sich?
Die konkreten Forschungsfragen sind vielfältig. Im aktuellen Forschungsprojekt „The Quality of Commodity Futures Markets“, das auch von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird, geht es darum, wie sich die Qualität von Rohstoffmärkten über die letzten 20 Jahre entwickelt hat. Dies ist interessant, weil sich in diesen Märkten viel verändert hat, insbesondere aufgrund der Digitalisierung und des elektronischen Handels. Früher wurden noch im Handelsraum der Börse Kauf- und Verkaufsgebote persönlich ausgerufen. Mittlerweile findet der Handel überwiegend elektronisch statt, und das rund um die Uhr. In unserem Forschungsprojekt wollen wir herausfinden, wie sich diese Veränderungen auf die Marktqualität ausgewirkt haben. Marktqualität hat zwei Aspekte. Zum einen Liquidität, also mit welchen direkten und indirekten Kosten der Handel verbunden ist. Der andere ist Effizienz, also inwieweit die Preise sich schnell an neue Informationen anpassen. Um diese Aspekte zu analysieren, haben wir eine sehr große Menge an Hochfrequenzdaten, sogenannte Tick-by-Tick Daten, erhoben. Eine solche Datenmenge zu analysieren, wäre noch vor einigen Jahren schwer möglich gewesen. Aber die Digitalisierung hat auch einen großen Einfluss auf die Forschung.
Andere Beispiele für unsere Forschungsfragen sind: Welche Risiken gehen Investoren auf Finanzmärkten ein? Welchen Einfluss haben Entwicklungen in Rohstoffmärkten auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und die Finanzmärkte? Lassen sich Finanzkrisen vorhersagen? Wie können Finanzmärkte zur nachhaltigen Entwicklung der Wirtschaft beitragen?
Welche Ergebnisse und Anwendungsmöglichkeiten erwarten Sie?
Unsere Erkenntnisse sind für mehrere Zielgruppen von Interesse. Zunächst sind das einmal alle Akteure, die direkt am Kapitalmarkt aktiv sind wie z. B. Kapitalanlagegesellschaften. Es geht hier nicht um „Zocker“, sondern um nachhaltige Investoren wie z. B. Pensionsfonds. Aber auch für Industrieunternehmen sind Kapitalmärkte wichtig, da sie hier Kapital aufnehmen und Preisrisiken von Rohstoffen absichern können. Des Weiteren liefern wir wichtige Erkenntnisse für die Finanzmarktaufsicht und Politik zur Steuerung und Stabilitätssicherung der Finanz- und Rohstoffmärkte.
Mit welchen Mitteln finanzieren Sie Ihr Forschungsprojekt?
Die Grundlage bilden die vom Land zur Verfügung gestellten Mittel. Darüber hinaus nutzen wir Drittmittel von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und auch aus der Industrie.
Welches Problem in Ihrem Forschungsalltag ließe sich nach Ihrer Meinung ohne Geld lösen?
In meiner Wahrnehmung hat die Bürokratisierung auch vor dem Wissenschaftssystem nicht haltgemacht. Wir verbringen mehr und mehr Zeit mit Dokumentation, Anträgen, Begutachtungen etc. Einiges davon ist sicher sinnvoll und notwendig, anderes aber auch nicht. Hier könnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler durch Bürokratieabbau wieder mehr Zeit für die eigentlichen Tätigkeiten, also für Forschung und Lehre, gewinnen.
In der wissenschaftlichen Praxis ist Versuch und Irrtum ein grundlegender Lern- und Erkenntnisprozess. Eine gesunde Fehlerkultur entlastet. Wir möchten daher Antworten auf die Frage „Was ist schiefgelaufen?“ veröffentlichen. Gibt es in Ihrer akademischen Laufbahn eine persönliche „Geschichte vom Scheitern“ und wenn ja, was können andere aus ihr lernen?
Forschung besteht im Prinzip aus häufigem Scheitern. So auch bei mir. Es kann z. B. sein, dass eine theoretische Herleitung doch nicht so funktioniert, wie man sich das zu Beginn vorgestellt hat. Oder, dass die empirische Untersuchung einfach keine belastbaren Ergebnisse liefert. Dann bleibt nichts anderes, als einen neuen Zugang zu dem Problem zu suchen. In der Forschung muss man häufig einen langen Atem haben und sollte sich von Fehlschlägen nicht vom Weg abbringen lassen.
Vielen Dank für Ihre Auskünfte.
Die Fragen stellte Birgitt Baumann-Wohlfahrt.