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„Woran forschen Sie gerade, Herr Professor Foege?“

„Woran forschen Sie gerade, Herr Professor Foege?“

© Foto: C. Wyrwa/Andreas Stockelbaum Unsplash.com

Wissenschaft ist wichtig und sie verständlich darzustellen ebenso. Wie lässt sich gesellschaftliches Vertrauen in die Wissenschaft stärken? Indem die Akteure über ihre Forschungsvorhaben, -methoden und -ergebnisse berichten.
Im aktuellen Beitrag: Prof. Dr. Johann Nils Foege, Professor für Innovationsmanagement am Institut für interdisziplinäre Arbeitswissenschaft der Leibniz Universität Hannover zum Projekt „Walk the Talk: How Corporate Sustainability Communication Evokes Stepwise Organizational Change.“

 

Wie erklären Sie einem Laien den Kern und die Relevanz Ihres aktuellen Forschungsvorhabens?

Unsere Gesellschaft befindet sich in einer Transformation hin zu einer ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltigen Wirtschaft, die kommenden Generationen die gleichen Chancen und Möglichkeiten zur persönlichen Entfaltung bieten soll, wie sie die aktuellen Generationen erfahren. Um diese umfassende Umgestaltung zu bewältigen, müssen Unternehmen ihre Aktivitäten besonders nachhaltig gestalten. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Kommunikation über solche Aktivitäten, da sie zur Legitimität und zum Erfolg eines Unternehmens beiträgt.

In der Forschung zur Nachhaltigkeitskommunikation gibt es ein grundlegendes Spannungsfeld zwischen zwei Paradigmen. Das erste Paradigma besagt, dass Nachhaltigkeitskommunikation immer nur rückblickend über bereits durchgeführte Aktivitäten erfolgen sollte, um Greenwashing-Vorwürfen zu entgehen. Das zweite Paradigma, inspiriert von der Strategieliteratur, argumentiert, dass Unternehmen durch Kommunikation eine klare Nachhaltigkeitsvision und -mission als Ziel und Orientierungshilfe für Stakeholder:innen etablieren sollten, bevor sie diese umsetzen.

Der Druck auf Unternehmen, die Nachhaltigkeitstransformation erfolgreich zu gestalten, macht klassische Strategieprozesse unverzichtbar. Unser Forschungsprojekt untersucht, wie Unternehmen durch ihre Nachhaltigkeitskommunikation (Corporate Sustainability, CS-Talk) tatsächliche Veränderungen in Richtung Nachhaltigkeit (CS-Walk) anstoßen können. Basierend auf dem klassischen Strategieprozess entwickeln wir ein Modell, das zeigt, dass Kommunikation zu echten Veränderungen führen kann, während übermäßige Kommunikation ohne Taten den Fortschritt behindert. Daraus ergibt sich eine umgekehrt U-förmige Beziehung zwischen Kommunikation und Handeln.

 

Welcher Methoden bedienen Sie sich?

Um unsere Theorie empirisch zu testen, analysieren wir quantitative Daten von mehr als 800 US-Unternehmen im S&P 1500 über 15 Jahre mit insgesamt mehr als 5.000 Beobachtungen. Die Daten in diesem Panel beziehen wir aus unterschiedlichen Quellen - d. h. Thomson Reuters Refinitiv-Datenbank, Compustat/CRSP-merged und durch Textanalyse aus 10-K Jahresberichten der US Securities and Exchange Commission. Wir nutzen Firm-fixed Effects Regression Analysis als Schätzverfahren.

Um den zugrunde liegenden Mechanismen nachzugehen, haben wir aber auch 40 Interviews mit zehn Unternehmen zu deren Nachhaltigkeitsstrategie und -prozess durchgeführt. Diese qualitativen Daten ermöglichen es uns, die quantitativ-identifizierten Zusammenhänge mit weiterem Leben zu füllen.

 

Welche Anwendungsmöglichkeiten erwarten Sie?

Aus den gewonnenen Erkenntnissen ergeben sich für Unternehmen folgende Handlungsmöglichkeiten: Unternehmen sollten eine klare Nachhaltigkeitsvision und -mission kommunizieren, um Stakeholder:innen eine Orientierungshilfe zu bieten und strategische Ziele zu setzen. Eine ausgewogene Balance zwischen Nachhaltigkeitskommunikation und tatsächlichen Maßnahmen ist entscheidend, um Legitimität zu stärken und Greenwashing-Vorwürfe zu vermeiden. Symbolische Aktivitäten können genutzt werden, um das Bewusstsein für Nachhaltigkeit zu schärfen, müssen jedoch durch substanzielle Maßnahmen untermauert werden, um echte Veränderungen zu erreichen. Zudem sollten Unternehmen den Strategieprozess klar strukturieren und in Schritte unterteilen, um die effektive Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsziele sicherzustellen.

 

Mit welchen Mitteln finanzieren Sie Ihr Forschungsprojekt?

Dieses Projekt finanziert sich aus Mitteln, die die Fakultät der Professur für Innovationsmanagement bereitstellt und durch die Bereitstellung von Mitteln unserer Forschungspartner:innen an der Universität Hamburg. Grundlegend setzt sich die gesamte Finanzierung der Forschung an der Professur für Innovationsmanagement aus verschiedenen Töpfen zusammen, die in kompetitiven Prozessen eingeworben wurden. So werden einige Forschungsprojekte unter anderem durch Mittel des BMBF, der DFG, der Region Hannover oder aus der Industrie finanziert.

 

Welches Problem in Ihrem Forschungsalltag ließe sich nach Ihrer Meinung ohne Geld lösen?

Passend vielleicht zur vorangehenden Frage zur Finanzierung von Forschungsprojekten: Nahezu alle Wissenschaftler:innen, die sich täglich mit großer Hingabe ihren Forschungsprojekten widmen, sind auf die Einwerbung kompetitiver Drittmittel angewiesen, um ihre Forschung durchführen zu können. Dies gilt auch in den Wirtschaftswissenschaften. An allen Fakultäten, an denen ich bisher tätig war, wurde viel Aufwand betrieben, um diese wertvollen Mittel einzuwerben und zu verwalten. Während ich grundlegend den Wettbewerb um Förderung für exzellente Forschung hilfreich finde, würde ich mir wünschen, dass die Prozesse zur Einwerbung und Verwaltung solcher Mittel an der ein oder anderen Stelle einfacher gestaltet werden, damit mehr der wertvollen Zeit und Ressourcen, die man durch diese Mittel gewinnen kann, auch für die eigentliche Forschung genutzt werden können. Dabei ist mir durchaus bewusst, dass eine solche Transformation des Systems nicht einfach ist. Wenn sie gut gestaltet wird, dann könnte sie sich aber lohnen, um Impulse und Anreize für wichtige Forschung zu setzen, aber Verwaltung zu vermindern.

 

In der wissenschaftlichen Praxis ist Versuch und Irrtum ein grundlegender Lern- und Erkenntnisprozess. Scheitern markiert hier kein Ende, vielmehr fungiert es als eine lehrreiche Ressource für zukünftigen Erfolg. Wir möchten Antworten auf die Frage „Was ist schiefgelaufen?“ veröffentlichen, weil eine offene Fehlerkultur Innovation fördert. Gab es in Ihrem akademischen Alltag eine Situation, aus der andere lernen können?

Das Lernen aus Fehlern ist ein fundamentales Prinzip des Innovationsmanagements. Es geht dabei nicht nur um die Identifikation und Analyse von Fehlern, sondern auch um die Etablierung einer Kultur, die Fehler als wertvolle Lerngelegenheiten sieht. Dieses Verständnis versuche ich aktiv in meinem Team zu fördern, da ich überzeugt bin, dass eine offene Fehlerkultur wesentlich zur Innovation beiträgt.

In der Praxis bedeutet dies, dass wir in unserem Team stets bestrebt sind, offen über Misserfolge zu sprechen. Wenn etwas nicht wie erwartet funktioniert, ist es wichtig, dies nicht zu verbergen, sondern transparent zu machen. So kann der zugrunde liegende Fehler gemeinsam adressiert und behoben werden, und es bietet auch die Möglichkeit, aus diesen Fehlern zu lernen und sie in Zukunft zu vermeiden.

Mit Blick auf „was mal schiefgelaufen ist“, würde ich sagen, dass ich einmal den Fehler gemacht habe, den Balanceakt zwischen Quantität und Qualität der wissenschaftlichen Publikationen nicht optimal zu managen. In meinem Bestreben, sowohl die Anzahl als auch die Qualität meiner Forschungsprojekte hoch zu halten, musste ich feststellen, dass einige meiner Einreichungen im Review-Prozess scheiterten. Meine Erkenntnis war, dass ich zu viele Projekte gleichzeitig jongliert habe und nicht hinreichend Fokus und Zeit auf jedes Projekt verwenden konnte.

Den Rat, den ich nun an meine Doktorand:innen und PostDocs weitergebe, spiegelt diese Erfahrung wider: Es ist wichtig, ein breites Spektrum und eine gewisse Anzahl an Publikationen vorweisen zu können, doch als verantwortliche Erstautor:in kann man realistischerweise nur wenige Projekte pro Jahr betreuen. Es ist daher entscheidend, genügend Projekte zu haben, diese aber gut auszuwählen, um sich auf solche mit sehr hoher Qualität konzentrieren zu können.

 

Vielen Dank für Ihre Auskünfte.

 

Die Fragen stellte Birgitt Baumann-Wohlfahrt.