Wissenschaft ist wichtig – und sie verständlich darzustellen ebenso. Wie lässt sich gesellschaftliches Vertrauen in die Wissenschaft stärken? Indem die Akteure über ihre Forschungsvorhaben, -methoden und -ergebnisse berichten. Im aktuellen Beitrag: Marina Schröder, Professorin für Volkswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Innovationsökonomik am Institut für Wirtschaftspolitik der Leibniz Universität Hannover zum Projekt „Geschlechterunterschiede in der Eigenwerbung“.
Wie erklären Sie einem Laien den Kern und die Relevanz Ihres aktuellen Forschungsvorhabens?
Im Jahr 2019 waren laut KFW Gründungsmonitor nur 36% der Unternehmensgründer in Deutschland weiblich. Warum ist das so? Die Antwort auf diese Frage ist komplex und wir verstehen bei weitem nicht alle Faktoren, die Frauen im Gründungsprozess zurückhalten. Allerdings ist genau dieses Verständnis unheimlich wichtig, um sinnvolle Maßnahmen zu entwickeln, die Chancengleichheit gewährleisten und damit auch Innovation und Wachstum fördern.
In dem aktuellen Projekt möchte ich zusammen mit Nathalie Römer zum Verständnis darüber beitragen, warum so wenige Frauen Unternehmen gründen. Dabei fokussieren wir uns auf Geschlechterunterschiede in der Eigenwerbung. Wir untersuchen, ob Frauen ihre (Gründungs-)Ideen anders „verkaufen“ als Männer und ob dies dazu führt, dass Frauen, bei gleichem Potential, im Gründungsprozess weniger Unterstützung erhalten. Wenn das der Fall ist, wollen wir natürlich auch herausfinden, wie diesen Verzerrungen entgegengewirkt werden kann.
Wie lautet Ihre Forschungsfrage und welcher Methoden bedienen Sie sich?
Im Grunde möchten wir drei wichtige Fragen beantworten: Gibt es Unterschiede darin, wie Frauen und Männer ihre Ideen bewerben? Führen solche Unterschiede dazu, dass Frauen weniger Unterstützung erhalten und welche Maßnahmen sind geeignet, um möglichen Verzerrungen entgegenzuwirken?
Um diese Fragen beantworten zu können, führen wir Experimente durch. Das klingt zunächst nach Laborratten, hat aber nichts damit zu tun. Die TeilnehmerInnen in unseren Experimenten sind häufig Studierende, die meistens am Computer Aufgaben erledigen und Entscheidungen treffen. Sie erhalten für die Teilnahme eine Entlohnung, die von ihrem eigenen Verhalten und dem Verhalten anderer abhängt. Interessenten empfehle ich die Website unseres Experimentallabors https://www.wiwi.uni-hannover.de/de/llew/.
In den Experimenten zu diesem Projekt gibt es zwei Arten von TeilnehmerInnen: Entrepreneure und Investoren. Entrepreneure entwickeln kreative Ideen. Der Verdienst der Entrepreneure hängt davon ab, ob sie einen Investor von ihrer kreativen Idee überzeugen können oder nicht. Investoren entscheiden, welche Ideen sie unterstützen wollen. Der Verdienst der Investoren hängt davon ab, ob sie in die bessere Idee investieren oder nicht. Um unsere Forschungsfragen zu beantworten, untersuchen wir erstens ob sich weibliche und männliche Investoren darin unterscheiden, wie sie ihre kreativen Ideen vor dem Investor bewerben und zweitens welchen Effekt die Bewerbungen der Ideen auf die Investitionsentscheidungen haben.
In Folgeprojekten wollen wir dann den Effekt unterschiedlicher Maßnahmen, wie z. B. Quoten oder Mentoring, auf das Verhalten der Entrepreneure und der Investoren untersuchen.
Welche Ergebnisse und Anwendungsmöglichkeiten erwarten Sie?
Wir wollen zum Verständnis beitragen, warum so wenige Frauen Unternehmen gründen. Die Ergebnisse unserer Studie werden aber nicht nur im Gründungskontext relevant sein. Eigenwerbung spielt z. B. auch in der Personalauswahl, der Personalentwicklung, der Personalvergütung und im wissenschaftlichen Publikationsprozess eine wichtige Rolle. Auch für diese Bereiche werden unsere Erkenntnisse relevant sein.
Bei einem besseren Verständnis wollen wir es aber nicht belassen. Wir wollen auch konstruktive Lösungsansätze erarbeiten. In Folgeprojekten wollen wir untersuchen, welche Maßnahmen geeignet sind, um den Geschlechterunterschieden entgegenzuwirken.
Mit welchen Mitteln finanzieren Sie Ihr Forschungsprojekt?
Die Forschung wird durch die Deutsche Forschungsgesellschaft im Rahmen des Projektes SCHR 1707/1-1 gefördert.
Welches Problem in Ihrem Forschungsalltag ließe sich nach Ihrer Meinung ohne Geld lösen?
Ich bin durch und durch Experimentalökonomin. Wenn ich eine Idee habe, wie Dinge verbessert werden könnten oder warum sie schieflaufen, dann versuche ich, die Idee in einem Experiment auf die Probe zu stellen. So mache ich das übrigens auch mit Alltagsproblemen. Beispielsweise ist mir vor einiger Zeit aufgefallen, dass fast alle Eltern ihre Kinder mit Süßigkeiten belohnen. Ich fragte mich, ob das dazu führt, dass Kinder Süßigkeiten lieber mögen? Ich habe ein Experiment mit Erstklässlern durchgeführt und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass es tatsächlich einen solchen Zusammenhang gibt.
Zurück zur Frage: Wenn ich eine gute Idee hätte, wie sich der Forschungsalltag ohne Geld verbessern ließe, dann wäre ich wahrscheinlich in diesem Moment fleißig am Daten sammeln. Leider muss ich heute passen, aber ich bleibe dran.
In der wissenschaftlichen Praxis ist Versuch und Irrtum ein grundlegender Lern- und Erkenntnisprozess. Eine gesunde Fehlerkultur entlastet. Wir möchten daher Antworten auf die Frage „Was ist schiefgelaufen?“ veröffentlichen. Gibt es in Ihrer akademischen Laufbahn eine persönliche „Geschichte vom Scheitern“ und wenn ja, was können andere aus ihr lernen?
Ich würde nicht von Problemen sprechen, sondern von Überraschungen. Ich untersuche das Verhalten von Menschen in ökonomischen Situationen. Sehr häufig entspricht dieses Verhalten nicht dem, was wir basierend auf theoretischen Modellen vorhersagen. Heißt das, dass ein Projekt gescheitert ist? Ich würde das Gegenteil behaupten. Genau die Situationen, in denen Verhalten nicht unseren Erwartungen entspricht, sind die, aus denen wir am meisten lernen können. Wenn sich Menschen nicht entsprechend der Theorie verhalten, dann zeigt das die Grenzen der Theorie auf und eröffnet neues Forschungspotential.
Manchmal gehen Dinge wirklich schief. Ich will nicht verheimlichen, dass auch mir schon Programmierfehler unterlaufen sind, so dass Daten nicht verwertbar waren. Was können andere daraus lernen? Leider nicht viel. Testen und gründliches Überprüfen hilft, aber ein Restrisiko bleibt.
Vielen Dank für Ihre Auskünfte.
Die Fragen stellte Birgitt Baumann-Wohlfahrt.