Wissenschaft ist wichtig – und sie verständlich darzustellen ebenso. Wie lässt sich gesellschaftliches Vertrauen in die Wissenschaft stärken? Indem die Akteure über ihre Forschungsvorhaben, -methoden und -ergebnisse berichten.
Im aktuellen Beitrag: Prof. Dr. Lena Dräger, Professorin für Volkswirtschaftslehre, Institut für Geld und Internationale Finanzwirtschaft, der Leibniz Universität Hannover zum Projekt „Inflationserwartungen in Zeiten erhöhter Inflation“.
Wie erklären Sie einem Laien den Kern und die Relevanz Ihres aktuellen Forschungsvorhabens?
In meiner Forschung befasse ich mich damit, wie normale Bürger über Inflation denken und Erwartungen über zukünftige Inflation bilden. Dies ist wichtig, weil viele Menschen zwar eine Meinung zu Inflation haben, aber ihnen häufig Informationen fehlen, um fundierte Erwartungen zu bilden. Gleichzeitig fließen die Inflationserwartungen ein in Verträge oder ökonomische Entscheidungen, z. B. in Lohnverhandlungen und Sparentscheidungen, und beeinflussen darüber die aktuelle Inflation. Aus Sicht der Zentralbank ist es also wichtig zu verstehen, wie Laien Inflationserwartungen bilden und mit welcher Art von Informationen sie unterstützt werden können, möglichst genaue Inflationsprognosen zu bilden. In Zeiten erhöhter Inflation ist diese Frage besonders relevant.
Wie lautet Ihre Forschungsfrage und welcher Methoden bedienen Sie sich?
In unserem Projekt untersuchen meine Kollegen und ich, welche Art von Informationen dazu beitragen kann, dass sich Inflationserwartungen nicht erhöhen, wenn Laien beobachten, dass die Inflation ansteigt. Wir haben diese Frage anhand eines Umfrageexperiments untersucht, das wir im Rahmen der Erwartungsstudie der Bundesbank (Anmerkung der Redaktion: verfügbar unter https://www.bundesbank.de/de/bundesbank/forschung/erwartungsstudie/ergebnisse ) durchführen konnten. Im September 2021, als noch unsicher war, ob die erhöhte Inflation kurzfristig sein oder länger anhalten würde, haben wir den Teilnehmenden der Umfrage zufällig ausgewählte Informationen gezeigt und dann gemessen, wie stark sie daraufhin ihre kurz- und langfristigen Inflationserwartungen angepasst haben.
Welche Ergebnisse und Anwendungsmöglichkeiten erwarten Sie?
Wir beobachten, dass Teilnehmende der Studie, die nur darüber informiert werden, dass die Inflation im August 2021 deutlich höher war als ein Jahr zuvor, auch ihre Erwartungen für Inflation in 12 Monaten oder in 5-10 Jahren nach oben anpassen. Das ist die häufig geäußerte Befürchtung von Zentralbankern, dass hohe Inflation heute sich auf die Erwartungen überträgt und darüber dann tatsächlich höhere Inflation auch in der Zukunft generiert wird. Wir finden aber auch, dass alle zusätzlichen Informationen über prognostizierte Inflation in der Zukunft, die zu diesem Zeitpunkt vor Ausbruch des Kriegs in der Ukraine davon ausgingen, dass die Inflationsraten wieder sinken würden oder moderat blieben, den „Spillover“ der hohen Inflation auf die Erwartungen reduzieren oder sogar umkehren. Aus diesen Ergebnissen lassen sich Hinweise für Zentralbankkommunikation, aber auch allgemein für die Kommunikation von Politikmaßnahmen, ableiten.
Mit welchen Mitteln finanzieren Sie Ihr Forschungsprojekt?
Die Bundesbank wählt regelmäßig Forschungsprojekte aus, die im Rahmen der Erwartungsstudie eigene Fragen zum Fragebogen hinzufügen oder Umfrageexperimente durchführen können. Unsere Studie wurde dankenswerterweise ebenfalls ausgewählt, so dass wir das Experiment ohne zusätzliche Mittel in einer etablierten Umfrage durchführen konnten. Das ist eine tolle Möglichkeit für mich und viele andere Kolleg*innen in meinem Forschungsfeld.
Welches Problem in Ihrem Forschungsalltag ließe sich nach Ihrer Meinung ohne Geld lösen?
Eine geringere Belastung durch Verwaltungsabläufe würde mehr Zeit für Forschung schaffen. Ein weiteres Problem sind fehlende Daten bzw. Schwierigkeiten in der Datenverfügbarkeit, aber dieses Problem ist vermutlich nicht ohne Geld zu lösen…
In der wissenschaftlichen Praxis ist Versuch und Irrtum ein grundlegender Lern- und Erkenntnisprozess. Scheitern markiert hier kein Ende, vielmehr fungiert es als eine lehrreiche Ressource für zukünftigen Erfolg. Wir möchten Antworten auf die Frage „Was ist schiefgelaufen?“ veröffentlichen, weil eine gesunde Fehlerkultur auch entlastet. Gab es in Ihrem akademischen Alltag eine „Geschichte vom Scheitern“, aus der andere lernen können?
In jedem Forschungsprojekt stößt man auf Hindernisse und Probleme. Die Zusammenarbeit mit den Kolleg*innen im Projekt hilft dabei sehr, die beste Lösung zu finden. Dazu gehören natürlich auch die Kommentare auf Konferenzen oder konstruktive Referee Reports.
Vielen Dank für Ihre Auskünfte.
Die Fragen stellte Birgitt Baumann-Wohlfahrt.